“Elfen und Zwerge gibt es wirklich!”

Kleine Kinder glauben an das Christkind, an Elfen, Nixen und Zwerge. Warum das gut ist und wie wir damit im Alltag umgehen, um unsere Kinder zu stärken, lest Ihr hier:

Zwerge, Elfen, Feen, Wichtel und andere Naturgeister spielen in der Kinderliteratur eine große Rolle. Wer kennt nicht Tomte Tummetott, den frechen kleinen Wassermann von Otfried Preußler, die kleine Meerjungfrau oder das Däumelinchen von Hans-Christian Andersen? Unsere alten und neuen Märchen und Geschichten über Naturgeister werden von Alt und Jung geliebt, und so lange die Kinder klein sind, wird ihnen der Glaube an die Existenz dieser Wesen gern gelassen. Und das ist auch gut so.

Kindlicher Animismus oder: Kinder können wirklich Naturgeister sehen

Tatsächlich sind für kleine Kinder diese Naturwesen wirklich real. Denn die Art und Weise, wie wir Menschen das, was wir wahrnehmen, interpretieren und einordnen, entwickelt sich in den ersten Lebensjahren enorm. In der Theorie des Entwicklungspsychologen Jean Piaget sind die ersten sieben Jahre im Leben des Menschen vom kindlichen Animismus geprägt: Kinder im Kindergartenalter, also etwa zwischen zwei und sieben Jahren, denken noch nicht logisch und rational. Ihr Verständnis für kausale Zusammenhänge (Ursache-Wirkung) ist noch nicht stark ausgeprägt. Deswegen kann man sie auch mit verbalen Argumenten nur schwer überzeugen, zum Leidwesen vieler Eltern :-). Bei Kindergartenkindern kommt in alltäglichen Situationen zuerst das Wahrnehmen und Fühlen, dann die spontane, instinktive Handlung und erst danach das Denken. Ganz kleine Kinder bis ca. drei Jahre nehmen nach Piaget außerdem an, dass alle Dinge um sie herum lebendig sind, auch Gegenstände. Für etwas ältere Kindergartenkinder ist dann immer noch alles, was sich bewegt, lebendig. Wenn also ein kleines Kind hinter einem Baumstamm einen Zweig sieht, der im Wind wackelt, nimmt es zunächst an, dass dort etwas Lebendiges ist. Auf das Kind macht diese Wahrnehmung einen starken Eindruck, und so nimmt das Kind an, dort etwa einen kleinen Gnom gesehen zu haben.

Hier hat doch eine Elfe ein Stück von ihrem fein gesponnenen Festkleid verloren!

Naturphänomene werden zu lebendigen Wesen

Besonders draußen in der Natur entdecken Kinder viel Lebendiges. Kinder erkennen zum Beispiel in Wurzeln, herunter gefallenen Ästen oder seltsam geformten Steinen gerne lebendige Wesen:

Hier kann man Kopf, Ohren und Schnauze eines Naturwesens erkennen

Wer würde bezweifeln, dass herbstliche Nebel aussehen können wie zarte tanzende Wesen aus einer anderen Welt?

Die Tatze eines Monsters!

Auch im Feuer tanzen lebendige Wesen. Und sie halten sich an Stöcken fest, wenn man sie hineinsteckt:

Meine eine Tochter ist sich sicher, dass sie schon einmal eine Elfe gesehen hat. Sie erzählt, dass die Elfe ganz schnell und wie ein huschender weißer Blitz an ihr vorübergeflogen ist. Vielleicht war es nur eine Sonnenspiegelung in einem Fenster? Aber das ist ganz einerlei. Für sie war da ein lebendiges, fliegendes Wesen, das sie gespürt hat. Warum sollte ich ihr diesen Glauben zerstören? Wer weiß, was sie “wirklich” gesehen hat?

Für Kinder sind die Naturwesen nicht übersinnlich

Indem Kinder Naturphänomene mit ihrem kindlichen Animismus wortwörtlich “beleben”, oder, anders gesagt, das Leben oder die Natur-Kraft in den Erscheinungen wahrnehmen, ist für Kinder die Existenz von Naturgeistern wie Elfen und Zwergen ganz real, nicht etwa übersinnlich. Deswegen muss man auch kein Aufhebens darum machen, wenn ein Kind erzählt, dass es einen Zwerg oder eine Elfe gesehen hat. Denn für das Kind ist es gar nichts Besonderes, sondern einfach Teil seiner ganz normalen Wahrnehmung. Die Wahrnehmung muss auch gar nicht visuell gewesen sein, d.h. die Kinder müssen den Zwerg nicht gesehen haben, sondern haben die Anwesenheit eines Naturwesens eventuell mit anderen Sinnen gespürt.

Welche Elfe hat dieses zarte Perlennetz geflochten?

Es gibt auch Erwachsene, die “an Naturgeister glauben”

Die meisten Menschen sind sich einig, dass es die Naturwesen “nicht wirklich gibt”, dass die Existenz der Wesen eben der blühenden Phantasie oder dem Animismus von Menschen früherer Zeitepochen (oder eben dem von Kindern) entsprungen ist. Aber es gibt auch heutzutage noch erwachsene Menschen, die schwören, sie seien Elfen oder kleinen Gnomen ansichtig geworden, oder die ganz sicher sind, es gäbe einen Hausgeist in ihrem Haus… Und wie können wir gerade als wissenschaftlich denkende Menschen behaupten, dass es nicht noch mehr zwischen Himmel und Erden geben könnte als wir alltäglich wahrnehmen? Wir sehen ja auch UV-Strahlen nicht; Bienen aber sehen sie. Könnte es nicht Dinge geben, die mit unseren Messmethoden nicht messbar sind?

Elementargeister in der Anthroposophie und Waldorfpädagogik

Auch die Anthroposophie Rudolf Steiners, die viele Menschen genau deswegen als esoterisch bezeichnen, behauptet die Existenz von Elementargeistern. Dort heißt es, die Elementargeister seien Bestandteil oder Bewohner des “Ätherischen”. Dies bezeichnet eine Art geistiger (also nicht materieller) Ebene, die hinter und um die physischen Phänomene liegt.  Man kann sich das Ätherische vorstellen wie eine Art unsichtbare Aura. Durch Meditationsübungen oder konzentrierte Versenkung in Naturbetrachtungen, so sagen überzeugte Anthroposophen, könne man diese geistige Welt erblicken. Waldorfpädagogen gehen davon aus, dass vor allem Kinder, aber auch die Menschen in früheren Zeiten noch leichter Zugang zum Ätherischen gefunden haben. Dem heutigen, modernen, rational-materiell denkenden und ständig von Bildern umgebenen Mensch fiele es jedoch schwer, diesen Zugang zu finden. Doch es könne auch heutzutage noch gelingen, wenn man denn wolle…

Glauben oder nicht?

An die “reale Existenz” von Elementargeistern im Ätherischen kann man nun glauben oder nicht. Welchen Gedanken ich an dieser Vorstellung schön finde, ist folgender: In sehr vielen Dingen, vor allem in Naturerscheinungen, kann man etwas Lebendig-Wesenhaftes finden, das unsere Seele zum Klingen bringt, wenn wir uns dafür öffnen. Ich finde: ES ist einerlei, ob es “nur Phantasie” oder real existierend ist. Schon Picasso hat gesagt: “Alles, was man sich vorstellen kann, ist real”. Aus der Vorstellungskraft entstehen Geschichten und Kunst, aber auch ganz praktische Lösungen für alltägliche, wirtschaftliche oder politische Probleme. Kinder haben noch die beneidenswerte Fähigkeit, die Welt mit ihrer Imaginationskraft zu beleben, bzw. die Lebendigkeit in den Dingen feinfühlig wahrzunehmen. Wenn man sie denn lässt.

Was ist hier geschehen? Warum hat die Spinne diese Kratzbürste eingeflochten? Kindern fällt dazu sicher eine Geschichte ein…

Warum der kindliche Animismus so wertvoll ist

Die Wahrnehmung und der Umgang mit Naturgeistern bei Kindern ist nicht nur entwicklungsgemäß und allein darum schon richtig, sondern erfüllt noch einen weiteren Zweck. Die Vorstellung von Elfen, Zwergen und Gnomen belebt Phantasie und Vorstellungskraft. Beides sind wichtige Fähigkeiten zum Lernen und zum eigenständigen Entwickeln von Visionen und Projekten aller Art. Nur wer sich etwas (noch) nicht Existierendes vorstellen kann, kann einen Plan und Ideen zur Umsetzung entwickeln. Das heißt: Nur durch Phantasie und Vorstellungskraft können wir unsere Welt und unsere Gesellschaft zum Guten verändern. Darum ist es geboten, Kindern so viel Raum wie möglich für freie Vorstellungen zu lassen.

Den Wert der Natur entdecken

Die Geschichten mit Elfen, Zwergen und Trollen, aber ganz besonders eigene Wahrnehmungen von Naturgeistern hinterlassen starke, nährende Gefühle in den Seelen der Kinder. Da für Kinder die Existenz der Naturgeister real ist, sind diese auch eine wunderbare Verbindung zu den ebenfalls ganz realen Vorgängen in der Natur. Die Annahme, dass ein lebendiges Wesen an einem Ort in der Natur anwesend ist oder war, weckt das Interesse und die lebendige seelische Einfühlung des Kindes in die Geschehnisse. So wird ganz nebenbei auch die Aufmerksamkeit für Vorgänge in der Natur sensibilisiert. Die Natur kennen zu lernen, zu achten und zu schätzen ist eine wichtige Voraussetzung für achtsames Handeln der Umwelt, den Tieren, Pflanzen und Menschen gegenüber.

Die Natur ist betrachtens- und schützenswert

Wie stärkt man Kinder im Alltag mit dem Thema Naturgeister?

1. Die Wahrnehmung des Kindes ernst nehmen

Wenn ein Kind von einer Wahrnehmung etwas Lebendigen berichtet, nehmt es aufmerksam, aber ruhig hin. Nicht in Begeisterungsrufe und lautes Erstaunen ausbrechen, denn bedenkt: Für das Kind war das etwas ganz Normales, Reales. Aber weist es auch auf keinen Fall auf die mögliche Ursache des Phänomens hin “Das war doch nur ein Blatt im Wind.” – Was heißt da “nur”? Lasst dem Kind seine Wahrnehmung und seine Geschichte. Sonst verlernt es, seiner Wahrnehmung, seinem Urteil und seiner Vorstellungskraft zu trauen. Stärkt Euer Kind, indem Ihr seine Wahrnehmungen ernst nehmt.

2. In der Natur nach Naturwesen suchen: Im großen Buch der Natur lesen

Wenn man mit den Kindern draußen ist, kann man gemeinsam nach lebendigen Wesen suchen. Wenn es viele Pilze gibt, sucht man nach Pilzmännchen. Wenn es im Frühling viele Anemonen gibt, sucht man nach Anemonenelfen. Im Herbst, wenn die Blätter fallen, kann man fliegende Wesen entdecken. Ende Oktober, wenn am Abend oder Morgen die Nebel aufsteigen, kann man die Nebelgeister tanzen sehen (und sich eventuell im Dunkeln etwas angruseln lassen – solche Naturbeobachtungen sind der Ursprung von Halloween!). Wir suchen und sehen oft etwas Lebendiges, wenn wir in der Natur sind. Hier könnt Ihr von unseren diesjährigen sommerlichen Entdeckungen lesen, und hier lest Ihr von unserem spaßigen Ausflug zu knorrigen Baumwesen letzten Herbst. Das macht Spaß und die Kinder lernen auch, genauer hinzuschauen.

3. Naturgeister als Figuren spielerisch in den Alltag integrieren: Der Jahreszeitentisch

Um die Natur und das Bewusstsein für die aktuelle Jahreszeit ins Haus zu holen, eignet sich ein  Jahreszeitentisch, auf dem man gemeinsam und lebendig mit den Kindern Fundsachen und Schätze, Moos, Pflanzen, Zweige und/oder Blumen arrangiert. Der Jahreszeitentisch ist eigentlich nicht als Dekoration, sondern als lebendiger Ort gedacht, der sich täglich verändern darf. Beim Jahreszeitentisch kann es leicht passieren, dass dieser lebendige Zweck durch zu viel Deko-Kitsch verfehlt wird. So niedlich die perfekt ausgestalteten Feen und Filzfiguren sind, die man bei vielen handwerklich geschickten HerstellerInnen auf Handmade-Plattformen kaufen oder die man selbst herstellen kann: Um das in der Natur seelisch Erlebte der Kinder behutsam aufzugreifen und nicht durch starre Schemata und erwachsene Vorstellungen zu zerstören, ist es wichtig, dass die Figuren, die wir uns zu diesem Zwecke ins Haus holen, nicht zu konkret gestaltet sind. Ein Stück Rinde oder ein seltsam geformter Stein, der wie ein Gnom aussieht, und den am besten das Kind selbst entdeckt hat, tut es völlig. Beliebt sind auch ganz einfach gestaltete Zwerge aus Wolle und Filz, die das “Zwergenhafte”, Einfache in natürlichen Erscheinungen repräsentieren, z.B. solche:

Einfache Holztiere, wie z.B. die von Ostheimer, können einen Jahreszeitentisch wunderbar ergänzen.

Die Wahrnehmung von Elfen und Feen geht ja auf luftige Erscheinungen wie Nebelschwaden oder das Windspiel in Pflanzen zurück. Von daher sollte eine Elfenfigur ausnehmend zart und luftig gestaltet sein und im Zusammenhang mit Luftbewegungen stehen. Zum Beispiel eignen sich solche Feenreigen-Mobiles gut, um das luftige Wesen der Naturgeister aufzugreifen und darzustellen:

Diese Mobiles kann man bei Hans Natur in Pastell- oder Regenbogenfarben als Bastelset bestellen; dafür gibt es in Kürze hier auf dem Blog eine genaue Bastelanleitung.

Haben Eure Kinder schon einmal von Naturgeistern erzählt? Schreibt Eure Geschichten und Gedanken gern in die Kommentare!

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Ein Gedanke zu „“Elfen und Zwerge gibt es wirklich!”“

  1. Ron sagt:

    “Wenn der Blüten Frühlingsregen
    Über alle schwebend sinkt,
    Wenn der Felder grüner Segen
    Allen Erdgebornen blinkt,
    Kleiner Elfen Geistergröße
    Eilet, wo sie helfen kann,
    Ob er heilig, ob er böse,
    Jammert sie der Unglücksmann…”

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