Mitte bis Ende November ist „Martinszeit“. Aber was bedeutet das jenseits von Laternenumzügen? Wenn man sich die Martinslegende, die ursprünglichen Martinsriten in unserer Kultur sowie die Natur ansieht, kann man interessante Impulse für das eigene Leben und für die kurze novemberliche Zeit vor dem trubligen Advent gewinnen. Dazu drei ermutigende Ideen.
Auch wenn St. Martin nun um ist, leben wir von Mitte bis Ende November noch in der Martinszeit. Alles deutet zwar schon auf die Adventszeit hin: in den Supermärkten quellen die Stände über von Weihnachtsgebäck und Nikoläusen, Mamas tauschen sich über selbst gemachte Adventskalender aus, überall werden schon Adventskränze und Weihnachtsbäume zum Verkauf angeboten. Im Kindergarten bekommt man schon Einladungen zu den adventlichen Festen, und die ersten betrieblichen Weihnachtsfeiern finden statt, weil der Advent ja immer so hektisch ist. Aber St. Martin ist doch noch spürbar, wenn man genauer hinsieht: In den Restaurants in Stadt und Land steht die fette „Martinsgans“ auf den Speisekarten, und vereinzelt sieht man noch Laternenumzüge durch die Straßen ziehen. Auch die Stimmung draußen in der Natur ist noch nicht “weihnachtlich”, sondern spätherbstlich.
Altes Martins-Brauchtum
Der Ursprung des St. Martins-Brauchtums liegt in bäuerlichen Riten und Gewohnheiten: Zur Martinszeit begann im Mittelalter eine sechswöchige Fastenzeit, die bis Weihnachten dauerte. Um St. Martin wurde vor der Fastenzeit noch einmal tüchtig gegessen, ja geschlemmt. Dies hatte den einfachen Grund, dass die Bauern Vieh, das sie nicht den Winter über durchfüttern konnten, schlachten mussten. Außerdem wurden durch das Fasten Vorräte gespart, die ja noch bis in den Frühling, ja gar Frühsommer reichen mussten. Die „Martinsschlemmerei“ wurde oft in Gemeinschaft gefeiert: deftige Feste mit nahrhaften Speisen und Wein wurden veranstaltet. Teil der Feierlichkeiten waren oft auch Licht- und Feuerbräuche: Es wurden Martinsfeuer entzündet, um herabgefallenes Laub und Äste der Novemberstürme zu verbrennen. Manchmal wurden diese Feuer auch mit bäuerlichen Riten wie dem „Sprung über das Feuer“ verbunden, der seit jeher für innere Reinigung oder für den Beginn von etwas Neuem steht.
Die Martinslegende
Die Martinslegende mit der Mantelteilung ist erst seit dem 18./19. Jahrhundert im Zuge der Entstehung der bürgelichen Gesellschaft mit dem Martinsfest verbunden worden. Die Botschaft der Legende ist jedoch klar: Es geht ums Teilen und ums Geben, um den Blick auf andere, denen es schlechter geht als uns. Letztlich geht es um christliche Nächstenliebe – womit hier die Weihnachtsbotschaft schon angelegt ist.
Die spätherbstliche Natur
Werfen wir auch einen Blick in die spätnovemberliche Natur: Die Herbststürme wehen diese Tage übers Land und fegen von den Bäumen, was überflüssig und abgestorben ist. Die Insekten sterben. Viele heimische Säugetiere ziehen sich zum Winterschlaf in ihre Höhlen zurück. Im Wald riecht es modrig und nach Humus, man kann richtiggehend “einatmen”, wie das Alte abstirbt, das nicht mehr gebraucht wird. Im November spüren wir die Vergänglichkeit, ja können beobachten, wie der Tod in die Natur einzieht, ohne dass es etwas Böses oder Negatives ist. Das „Gewand“, ja man könnte sagen, der „Mantel“ unserer Bäume wird „fortgegeben“, die Bäume stehen nun kahl und wie nackig da. Ihre Lebenskraft wandert in die Wurzeln, vom Äußeren ins Innere.
Wie kann man aus diesen alten Bräuchen und den Vorgängen in der Natur Impulse für das eigene Leben gewinnen? Hier einige Ideen:
1. Trennen und Loslassen: Entrümpeln von Keller und Seele
Auch wir könnten uns in dieser Zeit von Dingen trennen, die wir nicht mehr brauchen. Dies kann man ganz direkt verstehen, also z.B. alte Dinge aussortieren, den Keller entrümpeln oder die Kindersachen weggeben. Es tut gut, auszumisten und Dinge wegzuschmeißen, die man nicht mehr braucht! Denn es entlastet auch die Seele.
Im übertragenen Sinne geht es hier aber auch ums Loslassen von Gewohnheiten, von Festgefahrenem oder gar von Beziehungen. Es geht darum, vielleicht ein wenig die Seele zu entrümpeln, die Dinge gehen zu lassen, vielleicht sogar Geliebtes – natürlich nur wenn es Sinn macht und die Beteiligten weiterbringt. Wenn es nur ein, zwei kleine Dinge sind – ein freundliches, aber endgüliges Nein auf eine dreiste Anfrage, die trotz Zögern von Dir immer wieder auf den Tisch kommt, oder ein Ruck im Herzen, dass es vielleicht doch gut und richtig ist, dass das geliebte Kleine nun in den Kindergarten geht…
2. Teilen und Geben
Das ganz praktische Entrümpeln und Ausmisten kann man gleich mit dem wichtigsten St. Martins-Brauch verbinden: Mit dem Teilen und Geben. Gerade hier und heute bietet es sich an: Überall werden Flüchtlingsunterkünfte eröffnet, und die Menschen dort brauchen warme Kleidung und viele andere elementare Dinge. Dabei sollten wir aber nicht einfach das hergeben, was wir ohnehin schon längst loswerden wollten. Die Kunst des wahren Gebens und Teilens besteht darin, zu schauen, was wirklich gebraucht wird, und dann etwas herzugeben, was einem vielleicht noch wertvoll ist.
Konkret bedeutet das: Studiert unbedingt die Bedarfslisten des Flüchtlingsheims um die Ecke, oder ruft dort an und fragt, was benötigt wird. Oft steht auf den Listen „Keine Kuscheltiere!“, weil viele Leute die alten (und oft die hässlichen, kaputten) Kuscheltiere ihrer Kinder dorthin geben. Das beruhigt so schön das Gewissen: „Wir haben gespendet!“, dabei wurde nur entsorgt, was man sowieso nicht mehr haben wollte.
Das ist aber nicht, was mit „Teilen und Geben“ im Sinne St. Martins gemeint ist – St. Martin hat seinen eigenen Mantel entzweigeschnitten. Auch die Geflüchteten möchten keine verschlissenen, löchrigen Sachen haben. Die Sachen sollten frisch gewaschen und ordentlich sein, und nach Größen sortiert. T-Shirts sind verständlicherweise in dieser Jahreszeit eher unangebracht. Viele Geflüchtete, gerade Frauen, tragen nur langärmlige Sachen, und keine Hosen, sondern benötigen lange Röcke oder Kleider. Gebraucht werden oft warme Jacken, Mäntel, Stiefel und Schuhe, auch für Kinder. Oder Bettzeug. Vielerorts auch Kosmetikartikel wie Duschgel, Seife, Shampoo, Rasierzeug und Deo. Wie gesagt: Am besten anrufen und fragen. Und dann gern die zweite Daunendecke für Gäste aus dem Schrank nehmen, die wunderschön und völlig tipptopp ist, oder den zweiten Mantel, den man eigentlich noch ganz gern trägt. Sehr, sehr gern werden übrigens auch ganz banal Geldspenden genommen. Dann kann das Heim selbst entscheiden, was dafür angeschafft wird.
Beim Weggeben, Teilen und Spenden kann man auch gut die Kinder mit einbeziehen. Man kann sie mitnehmen, wenn man die Tüten im Flüchtlingsheim oder beim Roten Kreuz abgibt. Man kann ihnen in einfachen Worten erklären, dass man Dinge weggibt, weil jemand anderes sie dringend braucht. Man sollte kleine Kinder jedoch nicht nötigen, etwas von sich selbst herzugeben, wenn sie es nicht möchten, denn das können viele Kinder einfach noch nicht, und das heißt keinesfalls, dass sie egoistisch sind. Sie haben noch nicht die dafür benötigte Gehirnreife. (Hier kann man sich vor Augen führen, dass alle Dige, die das Kind als „meins“ begreift, ihm so wichtig sind wie Dir Dein Handy oder Dein Portemonnaie). Man muss auch nicht sagen „Ich mache das wie St. Martin“, denn das können kleine Kinder nicht abstrahieren. Wenn sie aber ganz selbstverständlich mitbekommen, dass Du gerne gibst und an andere Menschen denkst, reicht das völlig aus. Deine innere Haltung und Deine Taten wirken in ihren Herzen.
Hier lest Ihr übrigens von der wunderbaren Hilfe, die Hans Natur seit Jahren in Simbabwe leistet. Dazu in Kürze mehr!
3. Ein deftiges Mahl im Licht der Laternen veranstalten
Ihr könnt es nur im Familienkreis oder aber mit guten Freunden veranstalten: Ein leckeres, deftiges Essen im Laternenschein. Es wäre doch so schade, die schönen Laternen nur für den Umzug zu benutzen! Warum nicht in der Martinszeit am Abend das Esszimmer damit beleuchten?
Natürlich könnte man dazu auch jemanden einladen, der nicht oft eingeladen wird und etwas Wärme und Menschlichkeit gebrauchen könnte. Vielleicht sogar jemanden, den man eigentlich gar nicht einladen möchte – bei einer solchen Gelegenheit, bei der man über den eigenen Schatten springt und vielleicht einen alten Groll oder eine Abneigung überwindet (Stichwort: Loslassen), könnte so manche schöne Überraschung passieren.
Kinder ab fünf Jahren freuen sich auch, wenn sie (wie hier unsere große Tochter im Bild) ein wenig mit Streichhölzern zündeln dürfen. Unsere Tochter hatte die langen Weihnachtsstreichhölzer vom letzten Jahr gefunden und beobachtete fasziniert die große Flamme, die entstand, wenn sie die Streichhölzer in die Kerzenflamme hielt. Das geht natürlich nur, wenn Ihr es Eurem Kind zutraut, nur unter Aufsicht der Eltern und am besten mit einem Topf Wasser griffbereit.
Ein schöner Text! Ich habe ihn hier im Kommentar ergänzt und meinen Bloglesern empfohlen:
https://alvahenny.wordpress.com/2015/11/11/sankt-martin-eine-charakterskizze/
Danke, liebe Alvah! Deinen Blog schaue ich mir gern in Kürze an!