Zwei Juli-Gedichte zum Lob der Sommernacht

Mit zwei klassischen Gedichten möchte ich heute dem besonderen Zauber sommerlicher Nächte huldigen.

Im Juli und August, wenn sich nach einem warmen Tag der samtblaue Himmel um die heiße Erde hüllt, sind unsere Sinne durchtränkt von Wärme. Wenn man die zart tosende Kraft der Natur in sich eindringen lässt, stellt sich ein Gefühl ein, in der satten Natur und im All ganz zu Hause zu sein. Man blickt in den dunklen Himmel und sieht die Sterne blinken, die Grillen zirpen ihr schläfriges Sommerlied, und ein Hauch von Erfrischung weht um die heißen Glieder.

So oder ähnlich müssen sich die beiden Dichter gefühlt haben, als sie dieses Gefühl in wunderschöne Worte packten. Christian Morgensterns Variante ist eine klare Huldigung an die Geliebte und die hochsommerliche Leidenschaft; und auch Gottfried Keller nutzt die Erscheinungen der Natur, um seine Liebesstimmung und die Sehnsucht nach der unerreichbaren Geliebten zu beschreiben.

Warum nicht dem oder der Geliebten eines dieser Gedichte an einem schwülen Sommerabend vorlesen? Wer etwas Phantasie hat, kann sich durch die Metaphern durchaus angenehm anregen lassen, besonders im zweiten Gedicht:

Christian Morgenstern
Hochsommernacht

Es ist schon etwas, so zu liegen,
im Aug der Allnacht bunten Plan,
so durch den Weltraum hinzufliegen
auf seiner Erde dunklem Kahn!

Die Grillen eifern mit den Quellen,
die murmelnd durch die Matten ziehn;
und droben wandern die Gesellen
in unerhörten Harmonien.

Und neben sich ein Kind zu spüren,
das sich an deine Schulter drängt,
und ihr im Kuß das Haar zu rühren,
das über hundert Sterne hängt …

Es ist schon etwas, so zu reisen
im Angesicht der Ewigkeit,
auf seinem Wandler hinzukreisen,
so unaussprechlich eins zu zweit …

Gottfried Keller
Von heißer Lebenslust entglüht

Von heißer Lebenslust entglüht,
Hab ich das Sommerland durchstreift;
Drob ist der Tag schön abgeblüht
Und zu der schönsten Nacht gereift.
Ich trete auf des Berges Rücken
Einsam ins offne Waldestor
Und beuge mich mit trunknen Blicken
Hoch in die stille Landschaft vor.

Am andern Hügel drüben steht
Im Sternenschein das liebe Haus;
Aus seinem offnen Fenster weht
Ein Vorhang in die Nacht hinaus.
Das ist fürwahr ein luftig Gitter,
Das mir mein Fräulein dort verschließt!
Nur schade, daß mir armem Ritter
Der Talstrom noch dazwischen fließt!

Zieh du für mich, mein leichter Sang,
Hinüber an der Liebsten Brust!
Vielleicht trägt ihr dein ferner Klang
Zu Herzen meine Dichterlust!
Ja, ich will ihr ein Ständchen bringen,
Das weithin durch die Lüfte schallt:
So spiele du zu meinem Singen,
O Sommernacht, auf Tal und Wald!

Dein Saitenspiel im Tale liegt,
Die feinen Silberbrünnlein all;
Den Tann, der auf den Höhn sich wiegt,
Laß rauschen drein, wie Orgelschall!
Das Elfensummen und das Kosen,
Das schwellend alle Kelche regt,
Vereine mit des Stromes Tosen,
Der seine Wogen talwärts trägt!

Im Süden zieht ein Wetter auf,
Schnell werb ich’s für mein Ständchen an;
Doch nehm es fernhin seinen Lauf,
Daß ich es übertönen kann!
Die Mühlen sind die Hackbrettschläger
Zuhinterst in des Tales Grund,
Die Sterne meine Fackelträger,
Sie leuchten mir im weiten Rund!

Nun will ich singen überlaut
Vor allem Land, das grünt und blüht!
Es ist kein Baum so hoch gebaut,
Darüberhin mein Sang nicht zieht;
Will eine Liederbrücke schlagen
Aus meiner Brust in ihre Brust:
Herz! wandle drauf, bis es will tagen,
Und wecke sie zu gleicher Lust!

 

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.

Simple Share Buttons