“Ich will keine Mütze anziehen!” – Liebevolle Strategien bei Anzieh-Konflikten

“Mein Kind will sich nicht anziehen”: Heute geht es darum, was man tun kann, wenn das Kind partout keine Mütze aufsetzen will. Außerdem findet Ihr Links zu Mützen, die selbst die “Mützen-Allergiker” unter den Kindern gern tragen:

Eins unserer Kinder wollte als Kleinkind nie eine Mütze aufsetzen. Oh, so einige unschöne Momente gab es deswegen. Bis ich irgendwann merkte, dass ich andere Wege suchen wollte, weil ich liebevoll und auf Augenhöhe mit meinem Kind umgehen wollte. Ich wollte mein Kind nicht zwingen (“So, jetzt setze ich Dir einfach die Mütze auf!”), ich wollte es nicht künstlich unter Druck setzen (“Wehe, wenn Du jetzt nicht sofort die Mütze aufsetzt…!”), und ich wollte es auch nicht erpressen (“Wenn Du jetzt nicht die Mütze aufsetzt, kriegst Du nachher keinen Kuchen!”). Druck und Erpressung sind nämlich die dümmsten und zugleich schädlichsten Lösungen. Denn sie zerstören Vertrauen und Beziehung, weil ich meine Macht als Elter missbrauche.

Aber auch “Zulabern” oder stundenlang Erklären mag ich nicht, weil das bei Kindern ja oft nichts bringt. Sie können viele Worte und Erklärungen einfach noch nicht verarbeiten oder verstehen.

Was man stattdessen tun kann:

Meine sieben Anregungen können alle zugleich angewandt werden. Sie haben ihren Ursprung in den Prinzipien der gewaltfreien Kommunikation (“GfK”), die wiederum eine wichtige Grundlage der modernen beziehungsorientierten Pädagogik ist.

Meist braucht es mehrere Phasen, bis ein “Anzieh-Problem” liebevoll gelöst ist (Punkte 4, 5 und 6 meiner Liste). Aber es geht! Das Wichtigste dabei: ZEIT. Deswegen lautet die erste Anregung:

1. Sich Zeit nehmen

Ganz, ganz wichtig! Unter Zeitdruck ist schwierig, liebevoll in Einklang zu kommen. Ich kann nur allen Eltern empfehlen, für das Anziehen kleiner Kinder immer mindestens 15 Minuten einzurechnen. Mindestens! Denn in Hektik und unter Zeitdruck Anziehen geht gern nach hinten los, meist, weil wir Eltern die Geduld verlieren. Wir planen im Winter für Anziehen und Sachen zusammenpacken 20 Minuten ein, weil immer noch etwas fehlt, oder dem großen Kind immer genau dann einfällt, dass es ja noch dies oder das für die Schule braucht. Dafür stehen wir extra früher auf. Denn wir haben gelernt: Ohne Zeitdruck gelingt alles leichter und freundlicher. Besonders uns Eltern.

2. Den Blick öffnen

Es ist wichtig, Konflikte nicht auf das verengte “Ich will etwas, Du willst aber nicht” zu reduzieren und darin stecken zu bleiben (“entweder-oder”). Dein Kind will Dich nicht ärgern, wenn es keine Mütze anziehen möchte. Eigentlich möchten Kinder gern das tun, was die Erwachsenen von ihm wünschen, denn Kinder kooperieren gern. Wenn also Dein Kind keine Mütze/Schal oder Rollkragenpulli anziehen will und die Anstrengung unternimmt, sich dagegen zu wehren, dann geht ihm etwas gegen den Strich, oder es fühlt sich unwohl. Etwas stimmt nicht. Das kann vieles sein: Die Mütze kratzt, die Mütze ist zu eng, das Bindeband kitzelt, irgendwo anders am Körper pickt es, das Kind fühlt sich nicht genügend wahrgenommen, das Kind ist noch müde, das Kind hat Hunger, das Kind muss auf Klo, das Kind möchte lieber zu Hause bleiben anstatt loszugehen…

Wichtig ist es, den Blick (und das Herz!) für diese eventuellen Befindlichkeiten und Bedürfnisse zu öffnen. Auch wenn Du es nicht sofort siehst oder verstehst: Dein Kind hat ein Anliegen, das es nicht gut anders äußern kann als sich jetzt gegen die Mütze zu wehren.

3. “Empfindlichkeit” des Kindes ernst nehmen

Im Übrigen gibt es nicht wenige Kinder, die sehr empfindliche Haut haben. Mein eines Kind ist so – es kann nur ganz weiche Materialien auf der bloßen Haut ertragen. Wir Erwachsenen würden auch ausrasten, wenn uns jemand zwingen wollte, einen kratzigen Pulli auf bloße Haut anzuziehen! Als ich die Empfindlichkeit meines Kindes akzeptiert hatte und diese ernst nahm, wurde es ganz einfach. Ich habe darauf Rücksicht genommen und nur noch Mützen gekauft, die innen mit Baumwolle oder anderem weichem Material gefüttert waren.

4. Den Druck rausnehmen: Freundlich, zugewandt und neugierig sein

Bei “Mein Kind will sich nicht anziehen”-Konflikten ist es ganz wichtig, den Druck rauszunehmen. Wenn wir das Kind anmeckern, anschnauzen oder gar schimpfen und zetern, gehen auch beim Kind “die Schotten dicht”, wie man so schön sagt. Dann kann auch das Kind vor lauter Druck von oben nicht mehr ausdrücken, was eigentlich los ist.

Besonders hilfreich ist es hier, eine neugierige, freundliche und zugewandte Haltung einzunehmen (ja, das ist manchmal gar nicht einfach!): Auf Augenhöhe gehen (= als Eltern hinhocken), das Kind freundlich ansehen, ihm zeigen, dass man es wahrnimmt, Körperkontakt suchen, wenn das Kind das möchte (Hände nehmen, Hand auf die Schulter, Kind auf den Schoß…), und dann: Freundlich nachfragen, was dem Kind fehlt. Dabei kann man Verschiedenes sagen, hier eine mögliche Auswahl:

  • Ich sehe, Du magst die Mütze gar nicht anziehen. Was fehlt Dir? / Warum?
  • Ich sehe, Dir geht es nicht gut mit der Mütze. Was brauchst Du?
  • Ich sehe schon, irgendwas stört Dich an der Mütze. Was ist es genau?
  • Oh, ich sehe, Du bist wütend. Was macht Dich so wütend?
  • Du bist ja ganz durcheinander. Was ist denn gerade so doof?
  • Du trappelst so hin und her. Brauchst Du etwas? Musst Du aufs Klo?

Es ist nicht immer leicht, eine solche freundliche, geduldige Haltung zu entwickeln, aber es lohnt sich ungemein. Denn wenn Du freundlich und offen nachfragst, wirst Du vielleicht eine überraschende Antwort erhalten. Vielleicht kratzt die Mütze wirklich nur. Aber vielleicht fehlt dem Kind auch Nähe, Kuscheln oder das Röstbrot mit Butter, das es seit ein paar Tagen gab, heute aber nicht… Jedenfalls möchte Dein Kind so gern in seinem Befinden gesehen und verstanden werden.

Kleine Kinder können hier vielleicht noch gar nicht so genau sagen, was ihnen fehlt, weil sie noch nicht “selbst-reflektiv” kommunizieren können. Aber oft können sie gut sagen, was sie akut stört. Nicht verzweifeln, wenn Du keine so klare Antwort bekommst. Deine Haltung, Deine Zugewandtheit, Deine Freundlichkeit zählen hier und wirken manchmal Wunder.

5. Das eigene Anliegen klar formulieren

Es geht nie ausschließlich um das Befinden der Kinder. Auch Du hast ein oder mehrere Anliegen: Du möchtest gern los, Du möchtest, dass das Kind mitkommt und Du möchtest, dass das Kind nicht am Kopf friert. Sag das Deinem Kind langsam, klar und in einfachen Worten. Redeschwälle sind nicht günstig, weil kleine Kinder Inhalte gar nicht kognitiv erfassen können, wenn Du zu schnell und zu viel sprichst. Es ist auch vorteilhaft, wenn Du sagst: “Ich möchte…”, so versteht Dein Kind, was auf Deiner Seite los ist. “Ich muss” oder “Wir müssen” ist nicht so stark wie “Ich möchte”.

Beispiele:

  • Ich möchte jetzt gern losgehen, denn ich möchte ins Büro.
  • Ich möchte, dass Du es warm hast.
  • Du bist mir wichtig. Ich möchte, dass die Mütze Dich warm hält.
  • Ich möchte nicht zu spät kommen.
  • Ich möchte mit Dir zusammen losgehen.
  • Ich möchte, dass Max pünktlich zur Schule kommt.
  • Schau, wir haben nur diese eine warme Mütze.

Oder vielleicht ist auch Folgendes der Fall – und auch das darfst Du ausdrücken, wenn es Dir wirklich wichtig ist:

  • Ich habe diese schöne Mütze gekauft und sie sieht so süß an Dir aus. Ich möchte so gern, dass Du sie einmal trägst!
  • Ich möchte die schöne Mütze gern allen im Kindergarten/der Oma zeigen! Aber auf Deinem Kopf! 🙂 (wenn Du das einmal formulierst, stellst Du schnell fest, ob Du darauf vielleicht verzichten kannst)

Jedoch solltest Du dabei nicht davon ausgehen, dass Dein Kind jetzt adhoc auf Deine Wünsche “Folge leistet”. Es geht hier darum, Deine Position/Dein Anliegen/Dein Befinden zu formulieren. Klar und deutlich, jedoch nicht als Handlungs-Aufforderung!

Manche Kinder brauchen nur ein wenig Zeit! Wenn Du Dein Anliegen ein- zweimal wiederholst und dabei geduldig bleibst, kann es sein, dass Dein Kind plötzlich doch direkt mitmacht und tut, was Du Dir wünschst – je nachdem, was auf seiner Seite los ist. Wenn es sich zum Beispiel jetzt gesehen und verstanden fühlt, oder nur etwas Zuwendung brauchte, könnte es sein, dass es plötzlich die Mütze selbst überzieht und sagt “Wir gehen los, Mama!”

6. Lösungswege suchen – und dabei offen sein

Im besten Fall haben nun beide Seiten zum Ausdruck gebracht, was los ist. Was die Anliegen und Befindlichkeiten sind.

Nun können Lösungswege gefunden werden. Dabei kannst Du auch das Kind fragen, ob es eine Idee hat. Vielleicht kommt das Kind selbst auf eine schöne Lösung!

So kannst Du fragen:

  • Du willst die Mütze nicht anziehen, aber mir es wichtig, dass Du es warm hast. Was sollen wir machen? Hast Du eine Idee?
  • Hm… wie machen wir das jetzt? Was meinst Du?

Oder Du machst Vorschläge:

  • Die Mütze kratzt Dich. Möchtest Du stattdessen ein warmes Tuch um den Kopf binden, wie Rotkäppchen? Oder den Regenhut anziehen?
  • Wollen wir ein weiches Baumwolltuch um den Kopf legen und die Mütze darüber ziehen?
  • Möchtest Du die Baumwollmütze drunterziehen?
  • Kratzt die Mütze wirklich so sehr? Sollen wir eine andere kaufen? – Warum nicht, wenn das Kind sie partout nicht tragen will und Ihr nicht gerade am Hungertuch nagt!
  • Soll ich die Mütze dehnen?
  • Ich kann das Bindeband ganz doll verknoten, so dass es nicht kitzelt.
  • Möchtest Du es ohne Mütze probieren? Ich nehme die Mütze mit, und Du kannst sie aufsetzen, wenn es Dir zu kalt wird.
  • Wollen wir es so machen: Du gehst ohne Mütze los und an der Streusandkiste ziehst Du die Mütze an?
  • Wollen wir erst noch etwas kuscheln/vorlesen und dann losgehen? (siehe Punkt 1: Zeit!)
  • Soll ich noch ein Butterbrot für Dich schmieren, und danach gehen wir mit Mütze los?
  • Ziehst Du die Mütze an, bis wir bei Omi sind? Dann kannst Du sie wieder ausziehen.
  • Soll ich ein Lied singen, und wenn das Lied fertig ist, ziehst Du die Mütze an?
  • Ich erzähle eine Geschichte von Milla, und Du machst genau nach, was Milla macht… — In der Geschichte macht Milla erst ein paar lustige/schöne Dinge (Nasepopeln, einen Schrei ausstoßen, Mama einen Kuss geben, auf und ab hüpfen, in die Hände klatschen….) und am Schluss zieht sie natürlich die Mütze an. Davor könnte es noch die Mütze einmal hochwerfen, an ihr riechen oder sie am Bommel herumschleudern. Besonders schön ist es, wenn auch Mama oder Papa mitmachen.

Hier ist es wirklich wichtig, in alle Richtungen zu denken. Sei offen. Lass Dich nicht von Gedanken wie “Das macht man doch nicht” einengen. Warum nicht den weichen Kuschelpulli um den Kopf binden, wenn das Kind das akzeptiert und es warm hält? Oder ein Spieltuch? Hab keine Angst davor, dass Dein Kind Dir “auf der Nase herumtanzen” wird, wenn Du ihm einen in Deinen oder der Gesellschaft Augen seltsamen Wunsch erfüllst. Ganz im Gegenteil: Es lernt dabei, wie man Rücksicht auf  das Befinden und die Bedürfnisse anderer nimmt. Es spürt, dass Du es ernst nimmst. Es fühlt sich in seinem Wesen wahrgenommen, wertvoll und geliebt. Gesellschaftliche Normen und Regeln sind dem Kind eh schnurzpiepegal. Die lernt es später von ganz allein.

Es geht darum, eine Lösung zu finden, die die Anliegen aller Beteiligten ernst nimmt. Gemeinsam, in Beziehung und gegenseitiger Wertschätzung. Dabei ist der Weg schon fast das Ziel!

7. Dem Kind vertrauen

Wenn Dein Kind sagt, dass es ohne Mütze losgehen will, warum das nicht versuchen? Ihr könnt die Mütze doch mitnehmen. Wenn es dem Kind zu kalt wird, wird es die Mütze schon aufsetzen. So schnell werden Kinder nicht krank, wenn mal kurz der Kopf ohne Mütze in der Winterluft ist.

Solche Wege erfordern natürlich, dass Du Deinem Kind vertraust. Ich denke, es ist möglich, seinem Kind hier zu vertrauen. Kein Kind verweigert eine Mütze, wenn es wirklich an den Ohren friert. Es sei denn, die Mütze kratzt es sehr oder gefällt aus anderem Grund partout nicht. Dann wäre es an der Zeit, z.B. auf www.hans.natur.de zu gehen und eine andere Mütze zu kaufen, z.B. eine mit weichem Innenfutter 😉 Siehe unten bei “Passende Produkte”.

Wie löst Ihr Konflikte beim Anziehen?

2 Gedanken zu „“Ich will keine Mütze anziehen!” – Liebevolle Strategien bei Anzieh-Konflikten“

  1. S.K. sagt:

    Liebe Meike Cölle,

    vielen Dank für die vielen immer wieder sehr anregenden, achtsamen und Lust machenden Beiträge! (Ich schreibe eigentlich nie Kommentare, aber die Ideen hier sind einfach besonders schön zu lesen).
    Weiter so!

    1. Maike Cölle sagt:

      Vielen lieben Dank, Simone!! <3

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.

Simple Share Buttons