Man muss nicht gläubig oder christlich sein, um sich heute ein wenig zu besinnen. Ich nehme Dich mit auf eine Gedankenreise: Welche meiner Saaten sind aufgegangen? Was lässt mich blühen? Wer gibt mir Kraft?
Heute ist Erntedank. Doch der Feiertag kann mehr sein als ein kleines Körbchen mit Obst und Gemüse vor einen Altar zu stellen. Erntedank hat eine uralte Tradition – schon unsere vorchristlichen Vorfahren feierten um diese Jahreszeit Erntefeste, wo sie ihren stärksten Göttern dankten und opferten. Das Christentum übernahm die heidnischen Riten und deutete sie zum Erntedankfest um. Kurz: Gedanken an Saat und Ernte liegen um diese Jahreszeit einfach in der Luft. Das mache ich mir heute zunutze und gehe ein bisschen sinnvoll in mich.
Die Themen des Erntedankfestes sind nicht nur das Danken für alles, was wir haben und was uns geschenkt ist. Erntedank beinhaltet auch die Themen Saat und Ernte, Stärke, Schutz und Vertrauen.
Jetzt, wo die dunkle Jahreszeit kommt, kannst Du es mir nachtun und Dich auf eine Gedankenreise begeben, die sich um diese Themen rankt.
1. Welche meiner Saaten sind aufgegangen?
Ein prall gefülltes, ereignisreiches Jahr liegt hinter mir. Wir sind umgezogen, haben das neue Haus selbst renoviert und einen Garten angelegt. Die große Tochter ist zur Schule gekommen, die kleine in den Kindergarten. Ich habe beruflich neue Weichen gestellt, und der Mann ebenso. Bei der ehrenamtlichen Arbeit gab es größere Herausforderungen und Konflikte zu bewältigen. Und natürlich galt es, den Alltag mit Kindern und Beruf zu meistern, Tag für Tag. In all diese “Projekte” habe ich viel Zeit, Gehirnschmalz und Herzblut gesteckt. Ich habe meinem Gefühl nach viel Saat ausgebracht, in jeglicher Hinsicht. Körbeweise, ehrlich gesagt.
Doch nicht alle Saat ist so aufgegangen wie erhofft oder gewünscht. Was die Kinder betrifft, muss man ohnehin vertrauen, dass das, was man sät, irgendwann in ferner Zukunft einmal Früchte trägt. Denn man bekommt natürlich keine direkte “Belohnung” für die oft sehr anstrengende Begleitung kleiner Menschen. Auch beruflich habe ich mir in der einen oder anderen Hinsicht mehr Blüte gewünscht. Schon lange hege ich einen beruflichen Traum, und ich wollte mich dieses Jahr an seine Verwirklichung machen – doch weil wir recht unverhofft umziehen mussten und das sehr viel Kraft und Zeit gekostet hat, musste ich den Traum (wieder einmal) aufschieben. Andere berufliche Anstrengungen haben dagegen zu wunderbaren Blüten und Früchten geführt, die ich auch voller Freude und Dankbarkeit geerntet habe.
Der Umzug sowie Lebensveränderungen wie die Einschulung bringen neue Wege und Lebensrhythmen mit sich. Wir haben das alles gut gemeistert und genießen unser neues Leben. Hier ist eine neue Saat voll aufgegangen, obwohl sie eher Knall auf Fall gesät wurde!
In einer Hinsicht bin ich bedrückt. Ich engagiere mich mit viel Zeiteinsatz und Motivation unentgeltlich in einem Ehrenamt. Hier gab es dieses Jahr viel Schwieriges zu meistern. Ich habe mein Bestes gegeben, mich über meine Kräfte und Möglichkeiten hinaus angestrengt. Leider jedoch gab es Entscheidungen, die zum großen Unmut einiger Menschen der Gemeinschaft führten. Ein Konflikt eskalierte und war kaum mehr zu handeln. Hier habe ich das Gefühl, es hätte einiges besser laufen können – wenn man es denn vorher gewusst hätte.
Mit solchen “schief gewachsenen Saaten” muss ich auch zurecht kommen. Nicht jede Saat entwickelt sich so, wie man das als “Bäuerin des eigenen Lebens” sich wünscht. Und das ist nicht schlimm. Ich habe gegeben, was ich konnte, und war fair und uneigennützig. Ganz sicher hatten die Geschehnisse, wie sie sich entwickelten, ihren Sinn. Tatsächlich hatte der Konflikt sogar einen positiven Effekt, der die Arbeit in Zukunft erleichtern wird.
Welche Saaten sind bei Dir aufgegangen? Welche sind “schief gewachsen” oder gar verdorrt oder gar nicht erst aufgegangen? Denke heute an die, die besonders schön erblüht und gewachsen sind! Und vertraue darauf, dass es auch einen Sinn hat, wenn Saaten nicht aufgehen, wenn Umwege oder Irrwege gemacht wurden. Denn auch auf Um- und Irrwegen erlebt und erfährt man Dinge, die sich als wertvoll erweisen können.
2. Was lässt mich blühen?
Es gibt Dinge und Situationen, die mich zum inneren Blühen bringen. Bei denen ich mich lebendig fühle: Gespräche, Begegnungen und Erlebnisse mit geliebten Menschen. Das Schreiben, das Fantasieren, das Ausspinnen verrückter Ideen. Kichern mit den Kindern. Handarbeitskurse (oh Gott, wie spießig, aber auch dazu stehe ich 🙂 Die Gartenarbeit, die ich dieses Jahr erst entdeckt habe. Und etwas, das mein kleines Geheimnis ist und bleiben wird. Ich denke an all diese Dinge und spüre dem guten, lebendigen Gefühl nach, das damit verbunden ist. Diese Dinge möchte ich behalten und bewahren und mehr davon erleben.
Was lässt Dich erblühen?
3. Wer gibt mir Kraft?
In meinem Leben gibt es Menschen, die mich stärken und Menschen, die mich schwächen. Heute denke ich an die, die mich stärken: Meine Brüder, meine wunderbaren Schwägerinnen, mein Vater. Meine “Beraterin in der Krise”. Die Chorleiterin. Meine langjährige Freundin, die sich als immer wertvoller, unentbehrlicher und gleichgesinnter entpuppt, seit wir Kinder haben. Eine Freundin, die ich erst dieses Jahr gewonnen habe und die mich gleich zu ihrer Hochzeit eingeladen hat.
Menschen aus der Vergangenheit, die mich durch ihre Bücher inspirieren. Mit diesen Menschen möchte ich in Zukunft noch mehr zusammen sein, ihnen mehr Zeit widmen als bisher. Menschen, die mich schwächen, darf ich ziehen lassen.
Wer stärkt Dich?
Und wer jetzt noch mehr Input vertragen kann, freut sich vielleicht an diesem wunderschönen Liedtext. Den Himmel oder Gott darfst Du gern auch im übertragenen Sinn als “Schicksal” oder “Unvorhersehbares” verstehen, oder ganz buchstäblich als unseren Himmel, von dem Regen und Sonnenschein kommen.
Wir pflügen und wir streuen
Wir pflügen und wir streuen den Samen auf das Land,
doch Wachstum und Gedeihen steht in des Himmels Hand.:
Der tut mit leisem Wehen sich mild und heimlich auf
und träuft, wenn wir heim gehen, Wuchs und Gedeihen drauf.
Er sendet Tau und Regen und Sonn- und Mondenschein,
Er wickelt seinen Segen gar zart und künstlich ein.
Und bringt ihn dann behende in unser Feld und Brot;
Es geht durch unsre Hände, kommt aber her von Gott.
Was nah ist und was ferne, von Gott kommt alles her,
Der Strohhalm und die Sterne, der Sperling und das Meer.
Von ihm sind Büsch und Blätter und Korn und Obst von ihm,
Das schöne Frühlingswetter und Schnee und Ungestüm.
Er Lässt die Sonn aufgehen, er stellt des Mondes Lauf;
Er lässt die Winde wehen und tut den Himmel auf.
Er schenkt uns so viel Freude, er macht und frisch und rot;
er gibt den Kühen Weide und unsern Kindern Brot.
(aus dem Evangelischen Kirchengesangsbuch, nach einem alten Text von Claudius)
Ich wünsche Euch ein besinnliches langes Wochenende!
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Sehr geehrte Frau Cölle,
Ihren Beitrag habe ich mit großem Interesse gelesen. Ich finde Ihre Gedanken zum Erntedank und Ihre Ehrlichkeit erfrischend. “Das kommt mir doch bekannt vor”, habe ich mir einige Male gedacht. Besonders der Passus über die Menschen, die Ihnen liegen bzw. nicht so liegen hat mich bewegt. Gerade in einer Kirchengemeinde ist das ein Thema, auch für mich. Da kann einen manches ganz schön nerven. Aber Jesus schenkt uns die Gelassenheit, auch mit Zeitgenossen versöhnlich umzugehen, mit denen mans nicht so hat. Und Bilanz zu machen, Erfreuliches und weniger Erfreuliches ins rechte Verhältnis zu setzen. Danke für Ihren Beitrag.
Günter Schlierbach