Goethe konnte es einfach: Naturwahrnehmungen in gefühlige Worte fassen. Dieses Mailied erzählt von der Wonne der Natur und der Liebe:
Der Mai ist der Monat der Lust und der Liebe, des Überschwangs und der natürlichen Pracht aller Dinge. Er ehrt und huldigt der Fülle. Breithüftige Mamas mit stolzen Busen und dicken Baby-Bäuchen eingeschlossen. Goethe liebte die Frauen, und ich denke mir, dass er fülliger weiblicher Pracht nicht abgeneigt war. Zur Zeit, als er dieses Gedicht schrieb, nämlich als 22-jähriger Jura-Student in Strasbourg, hatte er eine Liebesbeziehung zur Pfarrerstochter Friedrike Brion in Sesenheim, einem Dorf, das nicht weit von Strasbourg im schönen Elsass liegt. Jedenfalls kommt mir beim Lesen dieses Gedichtes immer eine satte, wonnig weiche Frau in den Sinn … wie geht es Euch?
Johann Wolfgang von Goethe:
Mailied
Wie herrlich leuchtet
Mir die Natur!
Wie glänzt die Sonne!
Wie lacht die Flur!
Es dringen Blüten
Aus jedem Zweig
Und tausend Stimmen
Aus dem Gesträuch.
Und Freud’ und Wonne
Aus jeder Brust.
O Erd’, o Sonne!
O Glück, o Lust!
O Lieb’, o Liebe!
So golden schön,
Wie Morgenwolken
Auf jenen Höhn!
Du segnest herrlich
Das frische Feld,
Im Blütendampfe
Die volle Welt.
O Mädchen, Mädchen,
Wie lieb’ ich dich!
Wie blickt dein Auge!
Wie liebst du mich!
So liebt die Lerche
Gesang und Luft,
Und Morgenblumen
Den Himmelsduft,
Wie ich dich liebe
Mit warmem Blut,
Die du mir Jugend
Und Freud’ und Mut
Zu neuen Liedern
Und Tänzen gibst.
Sei ewig glücklich,
Wie du mich liebst.